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NNP vom 05.05.2008:
Schwedischer Chor und heimische Sänger sangen fantastisch
Von Anneke Jung
Limburg.
Das war ein fulminantes musikalisches Erlebnis! Zum zweiten Mal
hatte die „Harmonie“ Lindenholzhausen den schwedischen gemischten Chor
„Svenska Kammarkören“ aus Göteborg für ein Konzert gewinnen können.
Was die 27 jungen Damen und Herren mit ihrem Dirigenten, dem Engländer
Simon Phipps an Klängen am Samstagabend in die Limburger Stadthalle
zauberten, das war eine Offenbarung in Sachen Chorgesang. Eine untadelige
Intonation, eine selbst bei verschiedenen Fremdsprachen saubere Aussprache
sowie gut geschulte und fähige Stimmen sind hier nur selbstverständliches
Handwerkszeug. Was das Besondere dieser Gruppe ausmacht, ist der
unglaublich schöne Ensembleklang, das außergewöhnliche Zusammenwirken
der Stimmen: Glockenklare Soprane, die trotz teils extremer Höhen weich
und warm klingen, runde, sonore Bässe mit erstaunlichem Stimmumfang, und
Alt und Tenor als selbstbewusste Mittelstimmen, die man sehr bewusst
wahrnimmt. Letzteres liegt auch an dem kammermusikalisch transparenten
Klangbild des Chors, das selbst bei großen dynamischen Steigerungen klar,
schön und irgendwie entspannt bleibt. Unglaublich, mit welcher Klangfülle
der Chor im leisesten Pianissimo, ja fast im Nichts verschwindet und mit
diesem „Nichts“ den ganzen Saal füllt.
Einige deutsche Kompositionen der Romantik hatte das Ensemble im Gepäck.
Der Einstieg gelang aufs Schönste mit „Denn er hat seinen Engeln“ von
Felix Mendelssohn. Drei ausdrucksvolle „Zigeunerlieder“ von Johannes
Brahms mit einem ausgezeichneten Pianisten aus den eigenen Reihen und drei
höchst anspruchsvolle, eher selten gehörte Chorsätze desselben
Komponisten vervollständigten diesen Bereich. Das wirklich Spannende aber
waren die Werke nordeuropäischer Komponisten überwiegend jüngeren
Datums, die man hierzulande nicht so häufig geboten bekommt. Im ersten
Programmteil waren dies überwiegend geistliche Stücke wie das federnd
leichte Marienlied „Madonna over Bolgerne“ von P.E. Lange-Müller.
Nach drei Psalmen des estnischen Komponisten Cyrillus Kreek, der
effektvoll estnische Volkmusikeinflüsse mit traditionellen russischen
Kompositionstechniken verbindet, war die Vertonung des Sonnengesangs von
Franz von Assisi durch einen schwedischen Meister einer der Höhepunkte
des Konzerts. Das Glanzlicht vor der Pause aber war eine Art musikalische
Erzählung des Amerikaners Eric Whitacre, „Leonardo dreams of his flying
machine“. Die Komposition stellt den Traum Leonardo da Vincis dar, einen
Flugapparat zu entwickeln. Am Ende fliegt er, wenn auch nur im Traum. Der
Chor „erzählte“ diese Geschichte voller Spannung und Intensität und
nahm die Zuhörer gefangen mit spannungsvollen Klängen, im feinsten
Pianissimo gesungenen flirrenden Dissonanzen und schließlich Trommeln,
Rauschen und Pfeifen, das die Fluggeräusche imitierte. Ein ungewohntes Hörerlebnis,
dass begeistert beklatscht wurde.
Der zweite Programmteil der Schweden war der folkloristischen Musik ihrer
Heimat gewidmet. Die etwas ambivalente Natur des Schweden – die Simon
Phipps humorvoll in Winterschwede und Sommerschwede unterteilte – konnte
man an dem Frühlingslied „Varen kom en Valborgsnatt“ von Wilhelm
Peterson-Berger gut festmachen. Das locker-beschwingte Lied, das den Frühlingsanfang
beschreibt wechselt von moll nach Dur. Ein besonderer Leckerbissen war „Biegga
Luothe“ von Jan Sandström. Auch hier konnten die Sänger wieder ihrem
darstellerischen Talent freien Lauf lassen: Ein einsamer Kämpfer (der
Tenorsolist) trifft auf wilde Gestalten, Geister oder ähnliches (den
Chor) und besänftigt diese schließlich. Dies war musikalisch und
szenisch packend. Auch die Zugabe begeisterte.
Eine tolle Idee hatten die drei Chorleiter der mitwirkenden heimischen Männerchöre,
die in diesem Fall gewissermaßen das schmückende und ausgesprochen
wohlklingende Beiwerk für den schwedischen Chor bildeten. Martin Winkler,
Jürgen Faßbender und Andreas Jung stellten die rund 300 Sänger der
„Harmonie“ Lindenholzhausen, der Chorgemeinschaft „Germania“
Freiendiez und des „Liederkranzes“ Niederzeuzheim sowie der
Chorgemeinschaft „Eintracht“ Hasselbach und „Frohsinn“
Staudt gemeinsam auf die Bühne, ein wahrhaft imposantes Bild. Das sparte
viel Zeit für Auf- und Abmärsche und bot die Möglichkeit, in
wechselnden Kombinationen zu singen. Der erste Teil war geprägt durch
romantische, aber auch neuere Volksliedsätze. Beeindruckend dabei: Einige
Lieder wie „Unter der Linde“ von Matthieu Neumann oder
„Abendfrieden“ und „Der Lindenbaum“ von Franz Schubert wurden von
allen Sängern gemeinsam gesungen. Trotz der großen Zahl der Sänger
wirkten die Stücke beweglich, schlank und ausdrucksvoll.
Bei ihrem zweiten Auftritt hatten die Herren Spirituals im Programm.
Besonders die beiden Stücke „Rainbow round my Shoulders“ und „Now
let me fly“ von der Chorgemeinschaft Freiendiez/Niederzeuzheim
beeindruckten durch Authentizität und Lebendigkeit.
Dass aber auch sie die schwedische Folklore beherrschen, zeigten die
heimischen Sänger mit ihrer Hommage an die Gäste mit dem Lied „I
mannans skimmar“. Ein wunderbares Chorkonzert.
© 2007 Frankfurter Neue Presse
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