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Taunus-Zeitung vom 10.04.2006:
Fast so wie im wahren Leben
Von Jürgen Schnegelsberg
(Artikel als PDF)
Hasselbach. Was macht den Unterschied zwischen zwei Familien
aus? Die «besseren» oder die eben etwas «weniger besseren Verhältnisse»?
Die eine Brautmutter trägt ein Kleid für 300 Euro aus der Boutique, die
andere fast dasselbe Modell für 39,90 Euro von C & A. Der eine
Ehemann kommentiert: «Das Kleid trägt unvorteilhaft an deinem Hintern
auf», der andere: «Das Kleid passt überhaupt nicht zu deinem
Tortenarsch.» Krasser können die Verhältnisse kaum sein wie zwischen
dem Zahnarzt-Ehepaar Marlene (Gaby Jeck) und Herbert (Bernd Hafeneger)
einerseits sowie dem prolligen Fritz (Paul Messinger), seiner «besseren Hälfte»
Martha (Manuela Messinger) mitsamt trinkfreudigem Opa Johann (Jörg Hill)
andererseits.
Das treibt deren Kinder Ute (Suse Schott) und Marc (Thomas Weber) zu dem
Entschluss, ihre Vermählung auf einer abgelegenen Hütte zu begehen –
Hochzeit in der Dorfkapelle inklusive. Doch erstens gibt es ständig Störfeuer
von der grantigen Hüttenwirtin Klara (Gaby Becher), und zweitens trudeln
nach und nach beide Eltern ein. Fritz und Opa, die beiden Schwerenöter, können
sich einen Abstecher im Nachtclub «La Bomba» nicht verkneifen und
bekommen statt ihrer da gelassenen Hochzeitsanzüge Trachtenkluft
gebracht, die ursprünglich für das Brautpaar gedacht ist. Die ziehen
sie, beide schwer angeschickert, auch gleich an und werden von der Haushälterin
des Pfarrers (Inge Heuser) prompt für ein Brautpaar der «anderen Art»
gehalten. Doch derweil der Tumult sich zuspitzt, hat das junge Paar schon
heimlich in der Dorfkapelle geheiratet. Frieden unter den Eltern? Von
wegen! Sofort geht der Streit um das Taufkissen weiter, denn Ute ist
schwanger. Da kann Jörg Hill als letzten Satz nur noch ins Publikum
rufen: «Oh Gott, diese Familie!»
Die Theater-Truppe des Männergesangvereins Eintracht 1882 hat wieder auf
ein Stück des bewährten Stückeschreibers Bernd Gumbold zurückgegriffen.
Unter der Leitung von Klaus Rumpf und Reinhold Heuser gelang dabei ein
Erfolg, der – nimmt man den Applaus am Samstagabend – «Mein Gott, die
Familie!» mit an die Spitze der bisher erfolgreich aufgeführten Schwänke
setzen dürfte. Mit rhythmischen Klatschen der 190 Besucher wurde den
Schauspielern noch beim Schlussbild für ihre tolle Leistung gedankt. Bei
den Einzelvorstellungen im Anschluss brandete dann noch einmal
Sonderapplaus auf für diejenigen, die besonders gefallen hatten. Gerade
die beiden «alten Jungfern» Leonie als Haushälterin des Dorfpfarrers
– Premiere für Inge Heuser – und Klara, die von Gaby Becher herrlich
schrullig gespielte Hüttenwirtin, kamen beim Publikum gut an. Als diese
beiden Fritz im Dirndl und Opa Johann in der Krachledernen im Nebenzimmer
verschwinden sehen und gleich darauf laute Schreie vernehmen, jammert die
Haushälterin «Jetzt machen sie ihn endgültig zur Frau» – doch Fritz
bekommt nur einen Zahn gezogen. Das besorgt dann der fesche Pedro –
zweiter Theaterneuling: Mario Belz – als Türsteher des verruchten
Nachtclubs «La Bomba» mit einem linken Haken, doch das Chaos entwirrt
sich erst durch das frisch getraute Brautpaar.
Viele ausgefeilte Dialoge und urige Situationskomik sorgten gerade im
dritten Akt für Lacher. Das Publikum konnte vieles – auch in den
Andeutungen – entdecken, was sich so oder zumindest so ähnlich auch in
Hasselbach hätte zutragen können. Es war eben fast so wie im wahren
Leben.
© 2006 Frankfurter Neue Presse
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