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Taunus-Zeitung vom 26.02.2004:
Zwei Fastnachtszüge in dieselbe Richtung
Von Alexander Schneider
Hasselbach. Was ist der Unterschied zwischen "Klaa
Paris" und Hasselbach? – Na? Genau: Hasselbach hat gleich zwei
Fastnachtsumzüge. Klein, aber oho und ob seiner Skurrilität wohl auch
einmalig in Hessen, zumindest für Ansiedlungen vom Schlage Hasselbachs.
In Friedenszeiten sind sich die beiden Gesangvereine "Eintracht"
und "Liederkranz" schon nicht ganz grün, aber bei der
Fassenacht, da hört der Spaß endgültig auf.
Hasselbacher, die von einem gemeinsamen Fastnachtszug träumen – ja, das
soll es ab und zu in der närrischen Zeit geben –, wachen meist schweißgebadet
auf und brauchen ein paar Minuten, bis sie ermattet und in dem sicheren
Gefühl in die Kissen zurück sinken, dass es – leider-Gott-sei-Dank -
ein böser Traum war. Traumhaft schön (kalt) war hingegen das Wetter an
diesem Fastnachtsdienstag, als die Hasselbacher Narren wieder einmal
getrennt auf Nabelschau gingen.
Tage zuvor hatte man sich schon gegenseitig belauert. Es gab Gerüchte,
"dass die einen den anderen die Schau stehlen wollten" und
einfach einen Tag früher durch die Straßen des Sängerdorfes ziehen
wollten. Wie gesagt, es waren nur Gerüchte . . .
Also war es schließlich wie all die anderen Jahre zuvor: Beide Vereine
scharten jeweils ihre närrischen Vasallen um sich und zogen, angefeuert
von den Schlachtenbummlern auf den Balkonen und in den Höfen, los. Mit
gehörigem Abstand zwar, aber immerhin in eine Richtung.
Es ist auch schon vorgekommen, dass die beiden Züge auf Kollisionskurs
liefen und einander erst im letzten Moment auswichen. Dieses Jahr ging es
also wie gesagt in einer Richtung, freilich mit halb Hasselbach Abstand
zueinander, wenn auch die Distanz bisweilen bedrohlich schwand.
Da half dann nur eins: Vorne laufen, was das Zeug hält und hinten stehen
was das Zeug hielt. Und während die eine Besuchergruppe am Straßenrand
dem führenden "Eintracht"-Zug zujubelte, schaute man auf dem
Balkon nebenan derweil tief ins Glas, um schon Minuten später, wenn die
anderen drunten ins Glas schauten, dem "Liederkranz" zuzuwinken.
Man muss sie einfach mögen, die Hasselbacher, von denen viele meinen,
dass sie, in einen Sack gesteckt, durchaus passabel miteinander singen könnten.
Aber da hätten wir wieder den bösen Traum. So sehr die
"Eintracht" und der "Liederkranz" auch in einer
Jahrzehnte alten Sängerfehde liegen (über die sogar bereits ein Buch
geschrieben wurde) und peinlichst auf die Qualitätsunterschiede in der
Sangeskunst achten, so sehr sprechen sie in der Fassenacht doch eine
Sprache.
"Helau" klingt in der Diktion der "Eintracht" auch
nicht anders als in der des "Liederkranzes". Närrisch wird
deshalb in beiden Vereinen schon seit vielen Jahren nur mit Wasser
gekocht.
Und mal ehrlich, worüber würde man sich in Hasselbach denn die Mäuler
zerreißen, wenn es den alten Zwist zwischen den beiden Gesangvereinen
nicht mehr gäbe. Langweilig wär's, stinklangweilig. Und deshalb feierten
nach dem Fastnachtsumzug auch die einen in der Alten Schule und die
anderen im Gasthaus "Zur Krone" bei ihrem
"Heckenwirt". Einen "in der Krone", und das ist
sicher, hatten diese Fassenachter "der alten Schule" am Ende
aber doch alle. Ein Traum, diese Hasselbacher Fassenacht . . .
© 2004 Frankfurter Neue Presse
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