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Nassauische Neue Presse vom 12.11.2001:
Ein Gesamtkunstwerk aus Raum und Klang
Von Heinz Kleiter
Limburg. „Das war eines der besten Konzerte, die ich je im Dom
gehört habe.“ Mit dieser Meinung dürfte der Limburger Musikprofessor
Hans Günter Bastian nicht allein gestanden haben. Das Jubiläumskonzert
aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des Männerkammerchors „Cantabile
Limburg“, das unter dem Motto „Klang und Zeit“ stand, vereinte vier
der besten Chöre unserer Heimat, die auch darüber hinaus einen
hervorragenden Ruf genießen. Obwohl der Schwerpunkt des Gebotenen auf der
zeitgenössischen Musik lag, hatte der Leiter des Konzertes, Jürgen Faßbender,
in der Programmauswahl die ganze Bandbreite geistlicher Musik berücksichtigt,
und die wurde von den Limburger Domsingknaben, vom Limburger Domchor, „Cantabile
Limburg“ und vom Frauenkammerchor „Carpe Diem“ vorbildlich
interpretiert.
Der Farbigkeit des Programms entsprachen die Lichtinstallationen im Dom,
die in wechselnden Farben und Formen die Architektur zu schönster Wirkung
brachten. So entstand ein Gesamtkunstwerk aus Raum und Klang, das
seinesgleichen suchen dürfte. Höhepunkte des Konzertes waren die
gemeinsamen Auftritte der vier Chöre, die sich in der ersten Programmhälfte
zu Max Baumanns bekanntem „Pater noster“ vereinigten und unter der
Leitung von Domkantor Klaus Knubben eine selten gehörte Klangfülle
hervorbrachten, die eine unglaublich dichte Interpretation ermöglichte.
Den ersten Teil der Programmfolge hatte Jürgen Faßbender den Gesängen
der katholischen Messfeier gewidmet. Die reichten vom gregorianischen
Gesang als dem Urgrund aller Kirchenmusik bis zur Erstaufführung eines
„Gloria“ von Randol A. Brass durch „Cantabile Limburg“ im
Zusammenklang mit dem Oberhessischen Bläserensemble und Domorganist
Markus Eichenlaub, einer Komposition, die zwischen rhythmischen
Jazzelementen und spätromantischer Klangschwelgerei hin und herpendelt.
Im Gegensatz dazu stand das „Credo“ aus der Missa minima von Ulrich
Hiestermann, einer knappen Komposition, die von „Carpe Diem“ unter Jürgen
Faßbender gesungen wurde. Die Domsingknaben sangen aus der Messe im alten
Stil von Jean Langlais das „Kyrie“ und der Domchor steuerte unter
Markus Melchiori dessen apartes „Sanctus“ bei. Beide Chöre
bezauberten durch Klangschönheit und durchsichtiges Musizieren. Gemeinsam
von den Domsingknaben, „Carpe Diem“ und „Cantabile“ gesungen,
erklang mit der Solistin Julia Kleiter, die ihren wunderbar klaren Sopran
in höchste Höhen emporschwang, ein „Agnus Dei“ von Samuel Barber in
weich fließenden Klängen. Das Oberhessische Bläserensemble unter
Leitung von Martin Winkler steuerte noch eine Antiphon von Anton Bruckner
in opulenter Klangfülle bei.
Der zweite Teil des Programms, der verschiedene Motetten und Psalmen zum
Inhalt hatte, wurde eingeleitet mit Mendelssohns „Mein Gott, warum hast
du mich verlassen“, das in einzigartriger Klangschönheit und
dynamischer Ausgestaltung von „Cantabile“ und „Carpe Diem“ unter Jürgen
Faßbender gemeinsam mit den beiden Solisten Julia Kleiter (Sopran) und
Christoph Lauer (Tenor) interpretiert wurde. Wo gibt es einen
vergleichbaren gemischten Chor! Dann kam ein sehr interessanter
Programmteil. Die Motette „Die mit Tränen säen“ erklang in
dreifacher Gestalt: Der Domchor sang sie in der Fassung des alten Meisters
Heinrich Schütz, die Domsingknaben in der romantisierenden Fassung von
Friedrich Kiel und „Cantabile“ in der Uraufführung der Komposition
von Heinrich J. Hartl. Dabei wurde wie an verschiedenen anderen Stellen
des Konzertes deutlich, wie sehr die moderne Kompositionstechnik doch auf
den alten Meistern fußt – wenn sie gut ist.
In überirdisch schönen Klängen sang „Carpe Diem“ das sanft
erstahlende „O Lux“ von Martin Folz und „Cantabile“ den Psalm 121
von Darius Milhaud in seinen Flutenden Akkorden sowie die ganz
verinnerlichte „Ergebung“ von Hugo Wolf, alles Kleinodien der hohen
Interpretationskunst des Jürgen Faßbender.
Auch der Psalm 130 „Aus der Tiefe rufe ich Herr zu Dir“ war in
zweifacher Form zu hören: Einmal, interpretiert von den Domsingknaben
unter der Leitung von Klaus Knubben, in der Fassung von Heinrich Kaminsky
herb und straff, ein andermal, gesungen von „Cantabile“, die in
ruhigen Schritten sich aufbauende Komposition von Arvo Pärt mit Orgel-
und Schlagwerkbegleitung (Markus Eichenlaub/Matthias Schachl). Dazwischen
eingebettet das sanfte „Inclina Domine“ von Josef Gabriel Rheinberger,
das „Carpe Diem“ ganz licht sang, und von Bardos „Eli! Eli!“ , die
Todesrufe Jesu am Kreuz, die vom Domchor unter Markus Melchiori sehr
eindrucksvoll gesungen wurden. Angesichts des hohen Schwierigkeitsgrades
all dieser Kompositionen können die Leistungen der einzelnen Chöre gar
nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Zum Abschluss kam dann der Höhepunkt des Konzertes: Die Uraufführung
einer Auftragskomposition für diesen Abend. Für alle vier Chöre und für
das Oberhessische Bläserensemble hatte Wolfram Buchenberg „Plenitudo
Temporis“ (Von der Fülle der Zeit) geschrieben, ein schwieriges,
ungemein anspruchsvolles Werk über die Ewigkeit. Der mittelalterliche
Text des Meister Eckehart, der das Leben nach dem Tod, jenseits von Raum
und Zeit umschreibt, ist leider nicht zu verstehen. Umso mehr ist der Zuhörer
auf die Musik verwiesen, die besser als jedes Wort in jene Sphären
hineinreichen kann, die wir mit Ewigkeit umschreiben. Der Fülle der Zeit
entsprach in die Komposition die Fülle des Klangs, und den zauberten die
vier Chöre und die Blechbläser unter der temperamentvollen Leitung von Jürgen
Faßbender in unnachahmlicher Weise in den Raum. Der ganze Dom, selbst ein
Abbild des himmlischen Jerusalem, schien dieses Ewigkeitsgemälde
aufzunehmen und widerzuspiegeln. Nach einem Augenblick der Stille brach
sich jubelnder Beifall im restlos ausverkauften Dom Bahn, der noch zwei
Zugaben forderte: Bruckners „Ave Maria“ und Rheinbergers
„Abendlied“, von den vier Ausnahmechören in fast überirdischer Schönheit
gesungen. – Ein denkwürdiges Konzert!
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